Bedeutsame Datenvisualisierungen können es dem Betrachter ermöglichen, Zusammenhänge wahrzunehmen, die sonst den Sachkundigen und Experten vorbehalten sind. Dies wird besonders deutlich bei der Installation mæve, die 2008 auf der Architektur Biennale in Venedig ausgestellt wurde. Zuschauer konnten Papierkarten mit aufgedruckten Bauwerken auf einen großen Tisch legen, auf dem nun andere Bauwerke erschienen, die einen konzeptionellen Bezug zu dem ersten hatten. Die Installation nahm einen ganzen Raum ein und mehrere Besucher konnten gleichzeitig interagieren und beobachten, in welchem Kontext sich die Bauwerke bewegen, welcher Epoche sie angehören, welche Bautechniken das Gebäude ermöglichten oder welchen Stil sie zitieren. Der Kosmos Architektur wird spielerisch geöffnet und auch jenen zugänglich gemacht, die nicht über diesen Wissensfundus verfügen.
Till Nagel ist Forscher, doch wenn er fertig ist, möchte er sein Publikum einladen, an die Hand nehmen, eigene Erfahrungen machen lassen und mit dem generierten Wissen befähigen, eine Diskussion zu führen – vor allem wenn es um gesellschaftlich bedeutende Themen geht oder um den Umgang mit Daten an sich. Die Herausforderung, der er sich hier stellt, besteht darin, die Komplexität der Daten so zu zergliedern, dass sie den Betrachter einlädt, sich auf sie einzulassen. Von dort aus ist es möglich, sich immer tiefer in die Materie hinein zu denken und schließlich Erkenntnisse zu gewinnen. Till und seine Kollegen nennen ihre Methode Inszenierte Analyse: Das Ganze wird in seine Bestandteile aufgelöst und technisch und künstlerisch aufbereitet. Praktiziert wurde diese Methode bei cf. city flows: Betrachter können die Bikesharing-Dienste von London, New York und Berlin miteinander vergleichen, sehen, von wo die Menschen kommen und wo sie hin fahren. Die drei Städte sehen aus wie Adersysteme, organisch und verwachsen. Die Timeline geht auf 6 Uhr zu und an den äußeren Stellen leuchten die ersten Punkte auf. Die Städte erwachen und immer mehr leuchtende Punkte bewegen sich zu den Zentren, in denen die Businessviertel zu sein scheinen. Die Installation ist aufgeteilt in drei Ansichten, die hinsichtlich ihrer Komplexität abgestuft sind. So findet man leicht Zugang und kann sich gleichzeitig in vielschichtigen Graphen verlieren. cf. city flows ist vieles. Ein stadtplanerisches Informationsportal, die Illustration eines kulturellen Phänomens, ein digitales Kunstwerk.
Die Ergebnisse von Till Nagels Arbeit sind raumfüllende Installationen, doch davor steht immer eine Suche. Erst durch das Ausprobieren, Experimentieren und Explorieren findet er den Punkt, an dem er schließlich ansetzt und eine Form bildet.
Er selbst sieht seine Arbeiten als Werkzeuge, von denen Gebrauch gemacht werden soll. Die Daten stehen einer immer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung, und sollten daher auch für diese zugänglich gemacht werden. Till setzt sich dafür ein, dass diese Daten nicht nur von großen Konzernen genutzt werden, sondern demokratisiert, verstanden und von der Bevölkerung auf indivudelle Weise verwendet werden können.
Vielen Dank, Till, für deinen inspirierenden Vortrag! Wir sind gespannt auf die Zukunft.